. . .

GLÜCKSFALL. Über Sammeln und Sammler ...
© Annegret Erhard / ANTIQUITÄTEN ZEITUNG 2004


Im Kern ist das Sammeln eine höchst persönliche und meist einsame Angelegenheit, die einen magischen Fluchtweg in eine verborgene Welt ermöglicht.

...

zu Sammler
zu Sammler-Ecke
Home Hanse

 

Diese Veröffentlichung basiert auf einem von Annegret Erhard verfassten Artikel, der in der Zeitschrift "ANTIQUITÄTEN ZEITUNG" Ausgabe Nr. 21 vom 29. Oktober 2004  erschienen ist. Von der der Redaktion der ANTIQUITÄTEN ZEITUNG wurde der UhrenH@nse gestattet,  diesen Artikel im Web-Design zu veröffentlichen. Dafür herzlichen Dank !


GLÜCKSFALL

Im Kern ist das Sammeln eine höchst persönliche und meist einsame Angelegenheit, die einen magischen Fluchtweg in eine verborgene Welt ermöglicht.

Das ist der wohl faszinierendste Aspekt in dem komplexen Spektrum aus dem der Sammler seine schier unerschöpfliche Jagdlust nährt. Und jede Trophäe löst ein Gefühl des Triumphes aus, das sich wieder und wieder einstellen soll. Aus kenntnisreichem Interesse wird Leidenschaft und schließlich Obsession, womit nicht in grober Vereinfachung gesagt sein soll, daß es sich bei der Passion des Sammlers samt ihren höchst unterschiedlichen Begleiterscheinungen lediglich um eine ins Pathologische reichende Gemütsverfassung handelt. Nein, ein Sammler hat seine Gründe - die Liebe zur Sache, Habenwollen, der unerfüllbare Wunsch nach Vollkommenheit, der seinen Ausdruck im Streben nach Vollständigkeit der Sammlung findet. Da wären noch so viel mehr Motive und Triebkräfte.

Manche sagen, sie haben ihren Ursprung in atavistischer Vorzeit, als es die vornehme und voZum Verlag rnehmliche Aufgabe des Mannes war, auf die Jagd zu gehen oder wenigstens Beeren zu sammeln. Das ist die dürftigste Erklärung für eine Beschäftigung, die durchaus nicht nur auf triviale Sättigung zielt, sondern ausgeklügelte Strategien erfordert, mit denen der Rivale im Auktionssaal in Schach gehalten wird, der Händler auf Trab und die Witwe des gerade verstorbenen Sammlerkonkurrenten außerhalb der Reichweite anderer Interessenten.

Sie, die Privatsammler, drehen das Rad - entschlossen und mit viel Aufwand. Die öffentliche Hand hat ihre Finger da nur noch ausnahmsweise mit im Spiel. Heute sind die Privatsammler vielfach als Stellvertreter der öffentlichen Sammlungen zu sehen vor allem im Segment der Gegenwartskunst. Die Museen haben ungenügende Ankaufsbudgets, ihr Apparat ist viel zu schwerfällig, um stets und mit Geschick am Auktionsgeschäft teilzunehmen. Bis ein Ankaufsgesuch die Instanzen durchlaufen hat, ein Topf aus dem die Mittel kommen oder gar ein Sponsor gefunden wurde, ist der Hammer schon längst gefallen, den Zuschlag bekam ein Sammler oder ein Händler (der sich dann nicht selten mit dezidierten Vorstellungen an die Verhandlungen mit eben jenem Museum macht).

Gute Kontakte zu Sammlern und Sponsoren sind deshalb des Museumsmanns erste Pflicht. Entschließt sich der ehemalige Kölner Galerist Paul Maenz, seine Konzeptkunst, Arbeiten der Neuen Wilden, von Sarah Lucas und Thomas Ruff den Kunstsammlungen Weimar zu überlassen (die Hälfte als Leihgabe, ein Viertel als Schenkung, ein Viertel durch Ankauf), weil dort drastische Lücken in der Gegenwartskunst klafften, so ist das ein Glücksfall. Und wurde zunächst auch als solcher betrachtet, zumal Maenz als Gegenleistung Mitkurator bei der ersten Ausstellung 1994 sein wollte und die Erstellung eines Bestandskatalogs forderte. Weitere Anstrengungen etwa auf dieser Sammlung aufzubauen oder schlicht mit ihr zu arbeiten unterließ man in Weimar. Inzwischen gibt es dort nicht einmal mehr einen Leiter. Maenz will seine Kostbarkeiten aus dem „Mausoleum" Weimar zurück. Man weigert sich.

„Es kann nicht sein" empört sich der Enttäuschte, „daß man sich unter einem idealen Sammler den schweigenden Lieferanten vorstellt". Man müsse begreifen, daß der nicht den Staat, der sich ohnehin raushalte, ersetzen kann. „Der Sammler ist eine Person, keine Institution".

Und wenn die Person im Unterschied zur Institution die Mittel hat, zu sammeln, dann hat sie am Ende auch etwas zu bieten, was der Institution schmerzlich fehlt. Das behagt dem selbstbewußten Sammler, der naturgemäß Bedingungen formuliert. Er will ein Haus für seine Gaben. Und schon wird's ernst. Mehr oder weniger berufene Gegner, mehr oder weniger besonnene Kritiker, Befürworter und Neidhammel melden sich - wie im Fall der Sammlung Brandhorst, die die lückenhaften Bestände der Bayerischen Staatsgalerie der Moderne füllen wird - zum dissonanten Chorgesang. Daß dann auch noch der (an einer ausgesprochen schwierigen Bebauungssituation) angenehm unprätentiöse Plan der Architekten Sauerbruch Hutton gescholten wird, ist fast schon Programm.

Bei alledem erweist sich Frieder Burdas Entschluß seiner Sammlung selbst ein Museum zu bauen, als weise. Er wird auch für die laufenden Kosten des nach Plänen von Stararchitekt Richard Meier in Burdas Heimatstadt Baden-Baden errichteten Ge­bäudes aufkommen. Jemand wie Burda, der erklärt, daß es ihm mit der Errichtung des Museums „auch um eine Festbeleuchtung" für sein Ego ging, läßt sich nicht gerne dreinreden. Als schöne Geste verweist die gläserne Brückenverbindung zur Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden auf die angestrebte Kooperation der beiden Häuser. Doch zum Charakteristikum eines Vollblutsammlers gehört eine große Portion Eitelkeit, sonst könnte er die einsame Jagd nach Solitären nicht aushalten und der magische Fluchtweg bliebe ihm versperrt.

ANNEGRET ERHARD


zu Sammler
zu Sammler-Ecke
Home Hanse