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Zur Entwicklung der Turmuhr
© Jürgen Ermert


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Heute, wo wir für wenig Geld eine Uhr kaufen können, haben wir vergessen, wie der mittelalterliche Mensch sich den Kopf zerbrach, um die richtige Zeit zu wissen. Alle Erfindungskraft wurde aufgewendet, bis Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die ersten Uhrwerke als zentrale und maßgebliche Zeitanzeiger auf den Türmen erschienen. Sie waren typisch die Arbeit eines Schmiedes. Alle Turmuhrwerke wurden nämlich aus Eisen geschmiedet.

Aber später, im neunzehnten Jahrhundert bekamen sie prächtig geschnittene Messingzahnräder. Zahlreiche dieser alten Turmuhrwerke sind inzwischen ausrangiert und auf den Schrotthaufen geworfen worden, weil ein modernes Uhrwerk viel präziser ist. Ein trauriges Ende dessen, was einst mit Liebe und Sorgfalt gemacht wurde. Zum Glück können wir in Museen und bei Sammlern eine Weile bei einem solchen alten Uhrwerk stillstehen und zusehen, wie die Räder die Zeit messen.

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Seit eh und je ist der Mensch nicht nur auf der Suche nach einer besseren Zeit, sondern auch nach besseren Zeitmessern für "korrekte" Zeitangaben. In der hochmittelalterlichen Phase des christlichen Abendlandes (13. Jahrhundert) gelingt es infolge der Erfindung und schnellen Ausbreitung der handgeschmiedeten Räderuhr mehr und mehr, die bis dato höchst uneinheitlichen, sowohl lokal, regional als auch territorial unterschiedlichen Zeiteinteilungen und Zeitmessungen zu einer "synchronisierbaren Zeit" zu harmonisieren. Diese Räder-Uhrwerke, vom Mittelalter bis in unsere Tage hinein in den hohen und repräsentativen Türmen der Kirchen, Rathäuser und Schlösser installiert, verkündeten zunächst durch Glockenschläge und bald auch über mächtige Zifferblätter an Außenwänden dieser "öffentlichen" Gebäude eine "amtliche", für die jeweilige Region allgemein verbindliche "Uhrzeit".

Die ersten Räderuhren mit Gewichtsantrieb (ab ca. 1300) gaben keine optischen, sondern nur akustische Zeitangaben durch Glockenanschlag. Im Mittelalter war es meistens so, daß z. B. in einem Dorf keiner eine Uhr besaß, sondern alle Leute sich nur an der Kirchturmuhr orientieren konnten. Etwas später, bei Verwendung der Zifferblätter, begnügte man sich zunächst mit nur einem Zeiger, der die Stunden zählte.

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Damit wurden die seit Urzeiten gebräuchlichen überaus wetterabhängigen Sonnenuhren sowie die für Langzeitmessungen gänzlich ungeeigneten Wasser- und Sanduhren von einer neuartigen "Zeitmaschine" mit Stunden-Zählung, einem Meisterwerk der Mechanik, verdrängt. Ihr Geheimnis war das Räderwerk, bei dem größere Zahnräder kleinere (die Triebe) in Drehung versetzten. Uhrwerke mit zusätzlicher Minuten- und Sekundenanzeige, also mit exakterer Laufgenauigkeit als die Stunden-Räderuhren, wurden erst mit der Erfindung des Pendels durch den holländischen Mathematiker und Physiker Christiaan Huygens (1656/57) möglich; mit seiner Erfindung begann das eigentliche "Sekundenzeitalter".

Wen wundert's, daß der Benediktiner Gerbert d'Aurillac die erste, freilich noch sehr primitive Räderuhr erfunden haben soll. turmuhr2.jpg (4824 Byte)Und damit hätte dieser spätere Bischof von Reims, Lehrer von Kaiser Otto III und schließlich Papst Silvester II., eine neue Epoche eingeläutet: Die Zeit der mechanischen Zeitmessung. Eingeläutet darf man hier sogar wörtlich verstehen, denn schon zuvor hatten die Benediktiner den Beginn ihrer jeweiligen Horen ja mit Glockensignalen markiert - und das taten sie auch weiterhin, nur jetzt noch pünktlicher.

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"Die erste automatische Maschine der Geschichte lief mit einem Mechanismus namens "Hemmung", der regelmäßig die Kraft eines fallenden Gewichts unterbrach." So informiert uns der amerikanische Schriftsteller Daniel J. Boorstin. Und sein Landsmann, der Wirtschaftswissenschaftler Jeremy Rifkin, sagt: "Zuerst wurde diese Erfindung ausschließlich von den Benediktinern benutzt, um größere Konformität mit dem Zeitplan der Pflichten zu sichern. Die Uhr ermöglichte es dem Klerus, die Länge von Stunden zu standardisieren."

Es dauerte freilich nicht lange, bis die Räderuhr auch von Laien als Ordnungselement erkannt und übernommen wurde. Und da für die meisten Stadtbewohner eine solche Anschaffung zu jener Zeit noch unerschwinglich war, kam alsbald ein findiger Kopf auf die Idee, eine große Uhr für alle anzuschaffen. 1344 zeigt die erste Turmuhr der Welt in Padua die - einigermaßen - genaue Zeit an; ihr Konstrukteur war der Arzt, Astronom und Astrologe Giovanni di Dondi.

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Sowas Fortschrittliches wollte man alsbald auch anderswo haben. Schon knapp eineinhalb Jahrzehnte später folgte die Premiere nördlich der Alpen. Deutschlands erste Schlaguhr wurde 1358 am Rathaus in Regensburg angebracht. Hierzulande scheint man auf diese neue Errungenschaft der Zeitmessung von Anfang an weit williger abgefahren zu sein als in Italien, wo Goethe sich 1786 die Zeit für diesen Tagebuch-Eintrag nahm: "Der Mensch, der hier lebendig lebt, kann nicht irre werden, weil jeder Genuß seines Daseins sich nicht auf die Stunde, sondern auf die Tageszeit bezieht. Zwänge man dem Volk einen deutschen Zeiger auf, so würde man es verwirrt machen, denn der seinige ist innigst mit der Natur verwebt."

Große und kleine Fürsten, Bischöfe und Bürgermeister: Alle wollten sie damals bei der Zeit tonangebend sein, und manchmal wurde heftig darum gestritten, welche dieser Obrigkeiten maßgebend sei, und welche nicht. In Paris verfügte der König, daß alle öffentlichen Uhren der Stadt nur nach der seinigen zu stellen waren. In Venedig verbot der Doge, an der Markuskirche eine Uhr anzubringen - er selber baute daneben seinen Uhrturm. Und in Deutschland und anderswo mieteten manche Städte Kirchtürme, um dort neben den klerikalen Geläute kommunale Signale ertönen zu lassen - beispielsweise die Feuerglocke, die Marktglocke oder die Bierglocke für die Kneipen-Sperrstunde. In dieser Zeit entstanden deshalb auch Redensarten wie: "Die Ratsherren versammelten sich Glock elfe." oder "Und jedermann wußte nun ... "...wieviel es geschlagen hat."

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Diese Redewendung findet sich schon in Thomas Murners 1512 erschienener "Narrenbeschwörung", wo es über einen ahnungslosen Bürgermeister heißt: "Er sol versehen eine Statt/ und weiß nicht, was geschlagen hatt."

Exakt auf die Minute wußte das allerdings überhaupt niemand. Die frühen Turmuhren hatten im präzisesten Fall Abweichungen bis zu einer Viertelstunde, aber auch Fehlweisungen bis zu einer ganzen Stunde waren nicht selten. Schon deshalb begnügte man sich lange damit, nur den Stundenzeiger kreisen zu lassen.

Der Minutenzeiger kam erst Mitte des 17. Jahrhunderts hinzu, die Sekunde Anfang des 18. Jahrhunderts. Da lag die Erfindung der Taschenuhren durch den Nürnberger Peter Henlein schon runde 200 Jahre zurück.

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Heute sind mechanische Turmuhren nur noch selten in Betrieb, die moderne Technik mit quarzgesteuerten Werken und auch die aufwendige, schwierige Pflege der Uhren haben dazu ihren Beitrag geleistet.

Umso mehr engagieren sich die Sammler und Freunde von Turmuhren um diese spezielle, höchst interessante Gattung der Uhren vor dem Verfall zu retten und der Nachwelt zu erhalten.

Dies hat allerdings einen speziellen Preis:
Der Turmuhren-Liebhaber braucht viel Platz für die Aufstellung der meist voluminösen Uhren bzw. Werke.

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Kurzbeschreibung der Turmuhr:

Ein großes Uhrwerk, früher immer in einem Pfeilergestell aus Eisen und mit Schlagwerk, das in einem Gebäude die öffentliche Zeit akustisch und meistens auch optisch anzeigte. Es gab sie schon um 1300, sie hatten eine Waag als Schwingungssystem.

 

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